Manche Buchstaben und Zahlen werden mit den Fingern ertastet

Grabstein und Backhaus sind für Wissenschaftler interessant

Ein historischer Grabstein aus der Brelinger Kirche und ein restauriertes Backhaus, das jetzt auf einem Grundstück an der Düsternstraße steht, haben das Interesse von Göttinger Wissenschaftlern geweckt. Stein und Haus werden in das Verzeichnis der „Deutschen Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“ aufgenommen.

Die Wissenschaftler Daniel Berger und sein Kollege Ernst Leon Hahne aus der Akademie der Wissenschaften machten sich von Göttingen aus auf den Weg in die Wedemark, um Haus- und Grabsteininschriften aus der Zeit vor 1650 zu dokumentieren. Ziel des Forschungsprojektes ist die Sammlung und Edition aller lateinischen und deutschen Inschriften aus dem genannten Zeitraum aus Deutschland, Österreich und Südtirol. Begründet wurde dieses Projekt als Gemeinschaftsunternehmen der wissenschaftlichen Akademien in Deutschland und Österreich. Einer der Hauptinitiatoren war der Historiker Karl Brandi aus Göttingen.

In die Brelinger Kirche kamen die Wissenschaftler, weil dort am Südwesteingang (rechts vom Turm) ein Grabstein seinen Platz gefunden hat, der auf das Jahr 1590 datiert wird. Dieser Grabstein erinnert an Anna von Weyhe und markierte einst deren Grabstelle auf dem Friedhof, der sich unmittelbar an der Kirche befand. Anna von Weyhe war die Schwägerin des damaligen Amtsvogts in Bissendorf, Cordt von Bestenbostel.

Erhalten geblieben ist dieser Grabstein, sowie ein weiterer aus dem Jahr 1714 vermutlich nur deshalb, weil die Sandsteinplatten zwischendurch anderweitig genutzt wurden. Beide Grabsteine wurden an der heute nicht mehr vorhandenen Viehbuchsmühle, einer Wassermühle in der Nähe des Dorfes Plumhof, als Befestigung für den Mühlengraben genutzt. 1954 wurden sie dort von einem Brelinger entdeckt und schließlich zehn Jahr später wieder zurück nach Brelingen transportiert. Hier standen sie zunächst außen am Kirchturm, wurden aber aus konservatorischen Gründen 1998 in den Innenraum der Kirche geholt und an den beiden Eingängen platziert.

Daniel Berger und Ernst Leon Hahne haben den Grabstein, der nicht mehr vollständig erhalten ist, genau vermessen und jeden Buchstaben der Inschrift notiert. Teilweise mussten die Buchstaben ertastet werden, da sie stark verwittert sind. Auch durch spezielle Fotografiertechnik konnten einzelne Elemente des Grabsteins sichtbar gemacht werden, die mit dem bloßen Auge nicht mehr zu erkennen sind.

Diese Technik half den Wissenschaftlern auch bei der Untersuchung des wohl ältesten Gebäudes in Brelingen, einem Backhaus. Es stand bis vor etlichen Jahren auf einem Grundstück an der Martin-Müller-Straße, flankiert von einem historischen Ziehbrunnen und einer Durchfahrtscheune. Die Scheune ist dort noch erhalten. Die Existenz des auf 1616 datierten Backhauses war den Wissenschaftlern bisher nicht bekannt und wurde ihnen von Friedrich Bernstorf aus Brelingen mitgeteilt.

Das stark verfallene Backhaus wurde 2013 abgetragen und in der Nähe, auf einem Grundstück an der Düsternstraße, wieder aufgebaut. Bisher war lediglich das Baujahr bekannt. Durch Einsatz der besonderen Fototechnik konnten die Wissenschaftler einzelne erhaben geschnitzte Buchstaben im sogenannten Sturzriegel über der Eingangstür sichtbar machen. Auch die Jahreszahl konnte von 1616 auf 1615 korrigiert werden. Durch einen Abgleich der sichtbar gewordenen Buchstaben C B mit der Brelinger Höfeliste konnten diese Buchstaben als Initialen des damaligen Hofbesitzers Curdt Braunß ausgemacht werden. Die anderen Buchstaben A und O, die vermutlich den weiteren Buchstaben N in der Mitte hatten, lässt sich nach Einschätzung der Wissenschaftler als ANO oder ANNO in der Verbindung mit der Jahreszahl 1615 deuten.

Friedrich Bernstorf konnte den Wissenschaftlern aus Veröffentlichungen des früheren Lehrers und Heimatchronisten Martin Müller noch weitere Informationen zugänglich machen. So gab es nach Müllers Recherche im Jahr 1880 in Brelingen noch 34 Backhäuser, 1963 waren es noch acht. Heute existiert noch das wiederaufgebaute sowie das Pfarrbackhaus auf dem Kirchengelände, das mit drei funktionsfähigen Öfen ausgestattet ist und seit 1988 an bestimmten Backtagen wieder zum Backen genutzt wird. Das Alter dieses Backhauses wird wegen der Bauart auf die Zeit vor 1590 geschätzt, belegt ist dies jedoch nicht.

BU Wissenschaft 1: Daniel Berger (unten) und Ernst Leon Hahne untersuchen den Grabstein in der Brelinger Kirche.

BU Wissenschaft 4: Mit besonderer Fotografiertechnik können die Jahreszahl und einzelne Buchstaben am Backhaus sichtbar gemacht werden.

 

Aufn.: Friedrich Bernstorf

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